Gerichtsentscheidungen sind nicht unfehlbar. Schreibfehler, Zahlendreher oder unklare Formulierungen können sich einschleichen – doch solche Fehler lassen sich meist problemlos korrigieren. Die Zivilprozessordnung (ZPO) sieht mit § 319 ausdrücklich vor, dass Gerichte offensichtliche Schreib- oder Rechenfehler berichtigen dürfen. Eine neue Verhandlung oder Entscheidung ist dafür nicht nötig.
Was aber, wenn die „Berichtigung“ in Wahrheit eine völlig neue Partei in das Verfahren einführt? Mit dieser Frage befasste sich kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem aufsehenerregenden Beschluss (Az. 6 UF 146/25). Das Gericht zog eine klare Grenze – und hob gleich zwei Entscheidungen eines Amtsgerichts auf.
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Im zugrunde liegenden familienrechtlichen Fall wollte das Jugendamt eine Unterhaltsverpflichtung für ein Kind feststellen lassen, das beim Vater lebte. Der Antrag richtete sich jedoch gegen die Mutter, deren Wohnort im Antrag zunächst falsch angegeben war. Nachdem der Fehler bemerkt wurde, korrigierte das Jugendamt lediglich den Wohnort, nicht aber die Antragsgegnerin.
Das Amtsgericht Michelstadt erließ dennoch einen Festsetzungsbeschluss – allerdings gegen den Vater. Damit war die Verwirrung perfekt: Der Antrag war an die Mutter adressiert, zugestellt wurde er dem Vater, und entschieden wurde ebenfalls gegen ihn.
Als das Jugendamt diesen Fehler bemerkt hatte, wurde auf dessen Bitte der Beschluss „berichtigt“. Eine Rechtspflegerin änderte dabei schlicht den Namen des Antragsgegners – anstelle des Vaters stand nun die Mutter im Rubrum. Genau das aber war nach Auffassung des OLG Frankfurt ein gravierender Rechtsfehler.
Das Oberlandesgericht stellte klar: Eine Berichtigung nach § 319 ZPO ist nur zulässig, wenn die Identität der Partei gewahrt bleibt. Eine bloße Namensverwechslung oder ein Tippfehler darf korrigiert werden, nicht aber die Beteiligtenstellung selbst.
Im vorliegenden Fall wurde jedoch eine neue Partei – die Mutter – an die Stelle des bisherigen Antragsgegners gesetzt. Dadurch entstand ein völlig neues Prozessrechtsverhältnis. Eine solche Änderung ist keine Berichtigung, sondern eine inhaltliche Änderung des Verfahrens – und damit unzulässig.
Das OLG Frankfurt bezeichnete die Entscheidung des Amtsgerichts als „wirkungslosen Beschluss“. Begründung: Zwischen Jugendamt und Mutter hatte nie ein Prozessrechtsverhältnis bestanden, da der Antrag ihr nie zugestellt worden war.
Die Zustellung ist aber zwingende Voraussetzung für die sogenannte Rechtshängigkeit – sie schafft erst das rechtliche Verhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner. Ohne Zustellung kann es keine wirksame gerichtliche Entscheidung geben.
Der Beschluss gegen die Mutter war daher rechtlich bedeutungslos. Das OLG hob sowohl den ursprünglichen als auch den berichtigten Beschluss auf und verwies die Sache an das Amtsgericht Michelstadt zurück.
Der Beschluss des OLG Frankfurt unterstreicht, dass Gerichte, Rechtspfleger und Verfahrensbeteiligte bei der Anwendung von § 319 ZPO äußerst sorgfältig vorgehen müssen. Eine Berichtigung darf nie dazu führen, dass eine neue Partei in das Verfahren eingeführt oder eine bestehende Beteiligtenstellung verändert wird.
Die Entscheidung zeigt zugleich, wie schnell formale Fehler gravierende Folgen haben können. Schon eine fehlerhafte Zustellung oder ein ungenaues Rubrum kann ein ganzes Verfahren unwirksam machen.
„Ein Schreibfehler darf keine neue Partei schaffen. Die Grenzen der Berichtigung sind eng gezogen – und das zu Recht. Nur so bleibt die Rechtssicherheit gewahrt“, erklärt Rechtsanwalt Helmut Kirchhoff.
„Wer gerichtliche Entscheidungen berichtigen will, sollte prüfen, ob tatsächlich nur ein Schreibfehler vorliegt oder ob es sich bereits um eine inhaltliche Änderung handelt. Letzteres ist unzulässig und kann zur Aufhebung der Entscheidung führen.“